17.06.2017: Mühlanger SV

Spätlesentriathlon im Marcus- und Lutherland

Neunzig Kilometer Rad fahren, neunzig Minuten Fußball spielen, 180 Minuten auf Luthers Spuren. Der Spätlesentriathlon Falkensee, Bad Belzig, Wittenberg hat uns alles abverlangt, wir haben alles gegeben, wären auf den letzten Metern beinahe noch an einer Burgerbestellung gescheitert – haben diese aber auch noch in einen Erfolg umgemünzt und blicken auf eine überaus gelungene Mannschaftsfahrt zurück.

Vorbereitungsphase

Diese siebte Spätlesenklassenfahrt wurde so intensiv und diskursiv vorbereitet wie keine andere zuvor. Als ob Fußball und Luther nicht schon Stoff genug gewesen wären, sollte auch noch eine Radwanderung oben drauf kommen. „Bis auf Indi schafft Ihr das eh nicht“, hieß es. „Fußballspielen geht danach ja gar nicht mehr“ oder umgekehrt: „Wir fahren auch mit dem Rad wieder zurück“. Heraus kam ein Kompromiss, der sich im Nachhinein als goldrichtig entpuppte.


Erste Disziplin Rad fahren

Freitag Highnoon: Zehn wackere Radler (Heiko, Clemens, Reinhold, Indi, Klaus, Patte, Jens, Uwe, Christian 2x) stehen abfahrbereit und voller Adrenalin am Schrääg. Ein erstes leistungssteigerndes Naturgetränk (keine Rote Brause, sondern Radler) sorgte für eine flüssige Startphase in Richtung Potsdam. Die erste Erkenntnis: Radwegtechnisch ist da noch Potenzial nach oben, um die Strecke attraktiver zu machen. Erst am Neuen Schloss [er meint Palais] in der Landeshauptstadt, wo uns Jens noch sein Geheimnis offenbarte, wo Andrea in sein Leben trat, wurde es richtig fahrradfreundlich. Vielleicht lag es an der ersten Verpflegungsstation am Templiner See, wo im schönen Lokal (dessen Namen ich mir nicht notiert habe) der Spargel schon lockte, aber noch auf Beelitz vertröstet wurde. [Hier hat der Chronist leider etwas die Orientierung verloren. Das Gartenlokal Am Kaiserbahnhof ist dann doch über 1 km vom See und Wasser gab's nur von oben.] Man hätte am Wasser gerne länger verweilt als das Regenschauer und das Glasleeren lang. Gleiches galt für den wetterbedingten zweiten Stopp am Schwielowsee (in einer netten Bratwurstbude, deren Namen ich mir auch noch nicht notiert hatte, der aber sicher von guten Geistern nachgereicht wird) [Klaro. Das war im Strandbad Ferch.]

Der Regen hatte danach offenbar etwas die Spuren des R1-Radfernweges verwischt, so dass wir (bis auf den unterbeschäftigten erfahrenen Reiseleiter a.D. Clemens und ein Großteil des Teams, das ihm, wie sich erwies, zu Recht vertraute) in Ferch kurzfristig die Orientierung verloren und auf zwei getrennten Waldwegen schließlich den Weg zu den Fahrradbrücken über die Autobahnen zurück- und als Gruppe wieder zueinander fanden. Ein Plattfuß bei Heiko sorgte für eine erste reife(n) Mannschaftleistung beim Flicken. Alle fassten mit an, so dass der Radbesitzer keine Gelegenheit fand, selber Hand anzulegen. Danach ging es in fliegendem Tempo ohne die versprochene Spargelpause weiter, denn die Zeit war dann doch schon fortgeschritten und Bad Belzig war immer noch unfassbar weit entfernt. In Borkheide ereilte dann Klaus der nächste Reifenschaden. Während er die ausgeschilderte Fahrradstation suchte, die sich aber als Phantom entpuppte und ihn zum eigenständigen und einsamen Reparaturarbeiten zwang, erholten wir uns für den Schlussspurt im Fliegerheim (das erste, was ich mir gemerkt habe). In der Zwischenzeit waren auch schon Ralf, Marcus und André mit dem Mannschaftswagen im Anmarsch und versorgten die durchnässte und durchgefrorene Truppe an der Strecke mit einem wohltuenden warmen Bier. Das war der nötige Schub, um nach rund siebenstündiger Fahrt am Fuße der Burg in Belzig anzukommen. Fazit der ersten Triathlon-Disziplin: Machbar, aber am Limit. Indi unersetzbar als unermütlicher Lückenzufahrer, Anschieber und Motivator. Bis auf ihn hätte am nächsten Tag wirklich keiner mehr aufs Rad steigen wollen. Und Patte wünscht sich zu Weihnachten ein Tourenrad; die breiten Pneus seines Mountainbikes hatten nicht nur Vorteile. Wen wundert´s, dass der griechische Abend mit viel Fleisch, knoblauchgesättigten Korfukartoffeln und etlichen Ouzo dann doch recht frühzeitig nach einem weiteren Absacker im Belziger Brauhaus in unseren Gemächern im Eiscafé und im Burghotel endete – ohne Whisky Tasting und fokussiert auf den nächsten Tag.


Zweite Disziplin Fußball spielen

Gestärkt durch ein üppiges Frühstück auf der Burg hieß es dann Sammeln für die zweite sportliche Herausforderung. Die Drahtesel bekamen ihre wohlverdiente Pause und wurden im Hänger zurück nach Hause kutschiert. Wir fuhren im Autotross Richtung Wittenberg, nahmen unterwegs natürlich noch das Elternhaus von Marcus in Boßdorf in Augenschein und entrollten selbstverständlich das Banner. In Wittenberg richteten wir uns dann gemütlich im Hostel ein und wagten einen ersten Schritt in die Lutherstadt – allerdings nur bis zum ersten Bierstand und der Thesentür an der Schlosskirche, die wir natürlich nicht beschlugen, sondern nur in Beschlag nahmen. Und beim Fotoshooting erfuhren wir, wie „Cheese“ in Gebärdensprache geht. Die Elbe, an der Wittenberg bekanntlich auch liegt, bekamen wir auf unserer Tour dann erstmals und zugleich letztmalig zu sehen, als wir für unseren fußballerischen Wettstreit nach Mühlanger fuhren. Der beschauliche Ort liegt auch an der Elbe, etwa vier Kilometer östlich von Wittenberg. In der dortigen Molt-Arena empfingen uns die Alten Herren und der Anhang des Mühlanger SV sehr herzlich. Da Bier und Grill schon bereit standen, stellte sich gedanklich für eine Sekunde die Frage, ob ein Spiel überhaupt notwendig sein würde. Die gezielte Anreise von Uwe S. nur für das Match und ein eindeutiger Blick von Coach Klaus nach seiner intensiven und positiv verlaufenen Rasenprüfung ließen aber schnell jeden Gedanken nach zusätzlichen Regenerationsphasen verfliegen.

Wir spielten schließlich auch mit einem üppigst besetzten neunzehnköpfigen Kader. So viele waren noch nie bei einer Mannschaftsfahrt im Einsatz. Die Bilanz bis dahin: Vier Siege (in Görlitz, Bad Köstritz, Limmer, Laubenheim), ein Unentschieden (Dräasden), eine Niederlage (Wesenberg) – sie würde auf alle Fälle positiv bleiben. Dennoch galt es, sie auszubauen. Klaus hatte dafür eine ausgeklügelte Taktik vorbereitet, die schlussendlich voll aufging. Erste Devise: Abtasten, viel Ballbesitz, Gegner studieren. Das versuchte der Gastgeber allerdings auch – mit leichten Vorteilen in Form eines Torschusses und einer Ecke. Danach bekamen wir die Partie aber immer besser in den Griff. Kleiner Statistikabstecher: 1. Spätlesenballkontakt Andreas N., 1. Foul an André, 1. Freistoß Jens, 1. und einziger falscher Einwurf durch Andi, 1. Torschuss Uwe G., 1. Tor durch Bernd. Nach einer schönen Kombinationsstafette durchs Mittelfeld über Clemens und Uwe S. lief Bernd allein auf den Keeper zu und schob den Ball überlegt in die rechte untere Ecke. Danach waren wir am Drücker und hatten eine Reihe von Möglichkeiten durch Reinhold, Clemens und Bernd nach guten Spielzügen über die Flügel. Auf dem Platz verdienten sich Marcus im Mittelfeld mit vielen Balleroberungen, Malli mit ungewohnter Laufarbeit und guten Pässen sowie Thomas B. und Patte in der Innenverteidigung mit ihrem souveränen Stellungsspiel die Bestnoten – leicht vor allen anderen.

Mit 1:0 ging es in die Halbzeit. Gleich mit unserem eigenen Anstoß läuteten wir aber die stärkste Phase des MSV ein. Fünf Großchancen, einmal geblockt, einmal Latte, einmal Pfosten, einmal Parade Knolli und ein etwas zu schwacher Kopfball – aber kein Ausgleichstreffer. Bei so viel Dusel sollte doch nichts schief gehen können. Danach übernahmen die Spätlesen wieder das Zepter, und wir erspielten uns Riesenchancen durch Ralf, Reinhold und Uwe G., der in der zweiten Halbzeit mehrfach gute Schüsse aus der zweiten Reihe abgab. Jedes Mal aber war der MSV-Torwart zur Stelle und verhinderte die Vorentscheidung. Die fiel allerdings Mitte der zweiten Hälfte erneut durch einen Treffer von Bernd. Nach Pass von Uwe G. scheiterte im ersten Versuch noch am Keeper, konnte den Abpraller dann aber im Tor unterbringen. Danach war der Bann gebrochen und am 2:0-Endstand änderte sich nichts mehr. Einen Wermutstropfen gab es allerdings: Auf beiden Seiten gab es trotz des fairen Spiels jeweils einen Verletzten. Wir wünschen beiden gute und schnelle Genesung.

Coach Klaus konnte mit dem Team zufrieden sein, seine taktischen Anweisungen wurden fast alle und von fast allen befolgt. Das permanente Durchwechseln fester Pärchen sorgte für eine stabile Grundordnung, die bis auf den Beginn der zweiten Halbzeit Bestand hatte. Die dritte Halbzeit verbrachten wir dann gemütlich mit den Gastgebern am Platz. Bei Bier und Wurst und einem Hauch Glen Els war es ein geselliger und gemütlicher Nachmittag. Danke dafür an unsere Gastgeber vom Mühlanger SV. Die Gegeneinladung wurde ausgesprochen und steht.

Knolli (Tor); Patte, Thomas B., Thomas K., Heiko, André (Abwehr); Andreas N., Andreas M., Christian Ro, Christian Re, Uwe G., Indi, Jens, Ralf, Marcus (Mittelfeld); Reinhold, Uwe S., Clemens, Bernd (Sturm); Klaus (Trainer)

Tore: 0:1, 0:2, Bernd

Den Abend wollten wir dann ruhig im WittenBurger ausklingen lassen. Das gelang auch, gleichwohl, wie schon erwähnt, eine Burgerbestellung für solch eine Gruppe schon eine Herausforderung ist, gerade wenn es um so vielfältige Beilagen wie Pommes, Süßkartoffelpommes oder Gemüsefritten geht. Die Bierbestellung im Wittenberger Brauhaus anschließend war dagegen ein Klacks. Und umrahmt von italienischer Musik – die Vatikanmannschaft betrauerte bei Tiamo, Tiamo, Ti-a-mo lautstark ihre Niederlage gegen den Wittenberger Gastgeber (0:2) – hatte vor allem Heiko noch ein Erweckungserlebnis. Nicht nur sangen er und wir zu der Melodie passend Dynamo, Dynamo, Dy-nah-mohoho, sondern Heiko konnte nach einer Sekundenschlafverzögerung und einem Sprint auch die Aufmerksamkeit von Dresdens und Cottbus´Trainerlegende Ede Geyer auf sich lenken, der sich als Trainer der Wittenberger betätigt hatte und spontan auch gerne eine Gasttrainerprofessur bei den Spätlesen angetreten hätte. Aber leider mussten wir ihm wegen der Vielzahl an Trainertalenten in den eigenen Reihen absagen. Zum Trost gab es allerdings ein Selfie mit Heiko.

Dritte Disziplin Luther nachspüren

Na klar, Kultur gehört jedes Mal in unser Programm. Und nicht nur als Feigenblatt. Die dreistündige Stadtführung begann am Lutherhaus am Ende der Innenstadt, ging über das Melanchthon-Haus, die Cranach-Häuser und –Höfe, die Stadtkirche mit dem berühmten Weinberg (nicht fotografieren!) hin zur Schlosskirche am anderen Ende der Innenstadt. Unsere Stadtführerin Annett Schulz erzählte anschaulich und anekdotenreich vom Leben des Reformers, seiner Familie und der Zeit des 16. Jahrhunderts. Deutlich wurde uns noch mal, welche Bedeutung Luther und die Reformation durch die Übersetzung der Bibel in eine verständliche deutsche Alltagssprache für die europäische Geschichte und unser heutiges Leben haben. Es war interessant und kurzweilig, so dass die Zeit wie im Flug verging und die meisten Spätlesen sehr aufmerksam und andächtig lauschten. Indi und Uwe nutzten die wenigen freien Momente, um sich mit einem Videodreh für Bollywood ins Gespräch zu bringen. Wittenberg lohnt auf alle Fälle weitere Besuche. Zum Beispiel fürs Asisi-Panorama. Abschließend die Frage, ob Martin Luther eine Spätlese hätte sein können? Im Ergebnis muss die Antwort „Nein“ lauten: Er spielte nicht Fußball, hatte keine Kinder im Verein, trank aber drei bis vier Liter Bier am Tag. So wären wir nie zusammen gekommen.

Zeit für Danksagungen: Zuerst an Marcus, dessen Heimatregion wir besuchen konnten. Danke für die tolle Vorbereitung und ortskundige Führung zu den schönsten Sehenswürdigkeiten auf und abseits des Platzes sowie den netten Unterkünften und Verpflegungsstationen. Dank auch an Jens für das Draufsatteln der Radtour (hat viel Spaß gemacht) und an Malli, der uns das Rückradeln erspart hat (hätte nicht mehr so viel Spaß gemacht). Gespannt blicken wir auf das nächste Reiseziel. Patte überraschte mit angeblichen mallorquinischen Wurzeln; wir sind auf Vorschläge und Angebote gespannt. (cr)